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Eine Arbeitsreportage, die zeigt, wie Menschen an ihre Tätigkeiten als Assistent*innen gekommen sind

Ein Foto von Wibke Roth von der Koordinierungsstelle der KSL.NRW eingerahmt in bunten Kacheln/Daneben steht: Im Fensterblick NRW

Fensterblick Extern

Assistenz? Ich kannte dieses Berufsbild vorher gar nicht.

von Wibke Roth/ Arbeitsreportage / KSL inspiriert

Irgendwo hinter Dortmund – zwischen Feldern, Hühnern und Traktoren – hat eine Frau ihr kleines Glück gefunden. Nicht nur, dass sie nach der Corona-Pandemie aus gesundheitlichen Gründen endlich von dem Stress der Stadt aufs Land entfliehen durfte. Ihr kleines Glück ist, dass sie – wenn auch spät – von ihrem Recht auf Assistenz erfahren hat – und es sind noch diese zwei Assistent*innen, die ihr das Leben erleichtern. Die beiden werden – wie die Frau selbst – in diesem Blogbeitrag noch keine Namen und Gesichter bekommen. Aber wir wollen durchaus schonmal den Spannungsbogen aufziehen für unsere kleine Kampagne, die wir Anfang 2024 sukzessive mit Geschichten, Gesichtern und Gemeinsamkeiten, die für diese Tätigkeit sprechen, anreichern werden. Dazu habe ich mich in diesem Sommer aufgemacht und vor allem Assistent*innen aufgesucht, denn unser Anliegen ist es, über die Beweggründe, die unterschiedlichen Lebenssituationen und Assistenzformen zu zeigen, wie vielfältig dieser Beruf ist: für den einen ist es Berufung, für die andere ein sinnstiftender Job, die eine übt ihn als Nebentätigkeit zu ihrem Studium aus, der andere möchte ihn zum Ende des Berufslebens anstelle der nicht erfüllenden Bürotätigkeit ausüben.

Beim Gassigehen vom neuen Job als Assistentin erfahren

Bislang habe ich fünf Interviews mit Assisstent*innen in Nordrhein-Westfalen geführt. Allen ist gemein, dass sie über Zufälle oder Umwege an diese Tätigkeit gekommen sind. Warum? Bei den beiden Assistent*innen hinter Dortmund war es so, dass sie über vorangegangene Tätigkeiten – sie hat vorher für die Assistenznehmerin als Yogalehrerin gearbeitet, er als Klangschalen-Masseur – war durch die Vorerfahrung klar, dass hier die Basis für ein vertrauensvolles Miteinander gelegt ist. Dass sie sich überhaupt begegnet sind, verdanken sie jedoch guten Freunden: Sie bildeten die Schnittstelle für das Match – der neudeutsche Begriff für erfolgreiche Vermittlung.
Dass das Gassigehen an diesem einen Abend eine erfolgreiche Jobvermittlung mit sich bringen würde, kam auch an anderer Stelle überraschend. Ich nehme sie an dieser Stelle einmal mit nach Mönchengladbach. Die Dame, die erst kurz vor der Gassirunde ihren Bürojob geschmissen hatte, erzählte einer anderen Hundebesitzerin während der Runde von der Kündigung. Jene hatte gerade davon gehört, dass in der Wohneinrichtung für Menschen mit Behinderungen Assistenz gesucht wird. „Assistenz? Ich kannte dieses Berufsbild vorher gar nicht“, berichtet die Dame beim Interview. Doch sie folgte ihrer inneren Stimme – und hatte tags drauf einen neuen Job, der sie – im Gegensatz zur bisherigen Bürotätigkeit – von nun an mit Freude erfüllt.
Eine Assistenznehmerin in der Nähe von Heinsberg war froh, dass ihre Nachbarin auf der Suche nach einem Job war, als sie gerade eine neue Assistentin suchte. Sie kannten sich bereits, weil die Familien bekannt miteinander waren.

Wir finden, dass dieses Berufsbild bekannter werden muss, und, dass es nicht bloß Zufall sein darf, ob ein Mensch etwas über dieses Berufsbild weiß, oder nur über Umwege – statt über Suchmaschinen und offizielle Stellen – relevante und richtige Informationen darüber zu erhalten.

Unwissenheit grenzt Möglichkeiten aus: Wissen eröffnet neue Möglichkeiten für die Jobwahl

Zum Beispiel möchten wir mit unserer geplanten kleinen Kampagne mit Informationen über den Assistenzberuf erreichen, dass möglichst viele Menschen wissen, dass es ihn gibt – und, dass es sich in diesem Tätigkeitsfeld nicht ausschließlich um Pflege-Tätigkeiten handelt, sondern auch um Tätigkeiten wie Freizeitassistenz, Arbeitsassistenz oder Studienassistenz.
Wir werden die Menschen sprechen lassen, die an verschiedenen Orten in NRW und zu unterschiedlichen Lebensphasen Erfahrungen gemacht haben. Ich frage sie zum Beispiel, was sie an der Arbeit schätzen, ob sie dazu spezielle Fortbildungen gemacht haben, was sie verdienen – und, wenn sie das nicht beantworten möchten – ob sie davon leben können. Das Schöne ist, dass sich bereits nach fünf Gesprächen zeigt: Diejenigen, die sich für die Assistenztätigkeit für Menschen mit Behinderungen entschieden haben, haben auch ihr kleines Glück gefunden: in einer bislang unbekannten Tätigkeit, die sie – mindestens – persönlich erfüllt.

Freuen Sie sich mit uns auf die aufgearbeiteten Informationen zu diesem spannenden Thema. Wir arbeiten da gerade dran.

 


August 2023