150 Teilnehmer bei Veranstaltung „Das Persönliche Budget - mehr als Geld" | KSL.NRW Direkt zum Inhalt
29.10.2018
Rund 150 Gäste nahmen an der Abschlussveranstaltung zur Aktionswoche teil.

„Das Persönliche Budget gibt mir die Chance, meinen Alltag nach meinen Wünschen und Anforderungen selbstbestimmt zu gestalten.“

„Das Persönliche Budget gibt mir die Freiheit, Leistungen und Personal selbst auszuwählen.“

„Der Antragsweg ist kompliziert. Man muss auch schon mal einen Dickkopf haben. Aber es lohnt sich!“

Am Abschlusstag der Aktionswoche „Das Persönliche Budget – Mehr als Geld“ der KSL.NRW im neuen Rathaus der Stadt Bielefeld zeigten sich Budgetnutzende von dieser Leistungsform überzeugt. Die Veranstaltung des Kompetenzzentrums Selbstbestimmt Leben für den Regierungsbezirk Detmold (KSL-OWL) richtete sich an potenzielle Budgetnutzende, Leistungsträger und -anbieter, Beratungsstellen und alle weiteren am Persönlichen Budget Interessierten. Mitveranstalter waren das Café 3b, die integrative Beratungs- und Begegnungsstätte für Behinderte, die EuTB Bielefeld sowie die Stadt Bielefeld.

Stephan Wieners vom KSL-OWL begrüßte die gut 150 Teilnehmenden und erläuterte noch einmal die Beweggründe der Kompetenzzentren Selbstbestimmt Leben in NRW, dem Persönlichen Budget eine landesweite Kampagne zu widmen. Dies seien vor allem der erweiterte Spielraum in der Gestaltung des individuellen Unterstützungsbedarfs sowie der Rollenwechsel vom passiven Leistungsempfänger zum selbstbestimmt agierenden Kunden, die durch das Persönliche Budget erreicht werden könnten. Ganz im Sinne der UN-BRK lohne es sich daher, für eine verbesserte Information, Beratung, Umsetzung und Nutzung einzutreten und dem Persönlichen Budget zu neuem Schwung zu verhelfen.

Karin Schrader, Erste Bürgermeisterin der Stadt Bielefeld begrüßte die Teilnehmenden und unterstrich, dass Informations- und Diskussionsveranstaltungen wie diese wichtig und notwendig sind. Sie bedauerte, dass sich die Anzahl der Persönlichen Budgets in der Stadt im Laufe der vergangenen zehn Jahre auf einem niedrigen Niveau von rund 70 eingependelt habe. „Da gibt es die Ängste von Betroffenen bzw. deren Angehörigen im Hinblick auf Kürzung von Leistungsansprüchen, Unterversorgung oder Überforderung mit der Verwaltung“, sagte die Bürgermeisterin. „Da gibt es aber auch die Bedenken von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Leistungsträger sowie der Leistungserbringer im Hinblick auf Arbeitsplatzsicherung, Wirtschaftlichkeit und Sicherung des Qualitätsstandards.“ Um dem Persönlichen Budget einen neuen Schub zu geben, müssten deshalb Ängste und Sorgen bei den Menschen mit Behinderung abgebaut werden. Leistungsträger müssten ihr bisheriges Verwaltungshandeln verändern und eine bislang nicht bekannte Flexibilität bei der Umsetzung ermöglichen. Karin Schrader resümierte: „Nur so wird diese Form der Leistung eine wirkliche Alternative und eine effektive und effiziente Hilfeform. Und zwar nicht nur für einige wenige Eingeweihte, sondern für einen größeren Kreis von Menschen mit Behinderungen.“

Leicht verständlich und übersichtlich führten Karin Neuhöfer vom Café 3b und Florian Holstiege von der EuTB Bielefeld noch einmal grundsätzlich in das Thema Persönliches Budget ein, mit dem sie in ihrer alltäglichen Beratungsarbeit regelmäßig beschäftigt sind.

 

Erfahrungsberichte

In einer Podiumsrunde, moderiert von Mesut Can vom KSL-OWL, berichteten Budgetnutzende aus ihrem Alltag: Thomas Drexhage war froh, dass er mit dem Persönlichen Budget etwas ausprobieren konnte, „was nicht in übliche Angebotsschubladen passt“. Er sieht darin vor allem die Möglichkeit, eigenständig und selbstbestimmt entscheiden zu können, ohne aus einem festen Sortiment aussuchen zu müssen. Annette Jablonski schätzt vor allem, dass sie sich die Assistenzen, mit denen sie zusammenarbeiten möchte, selbst aussuchen kann. „Wenn man selbst Chef ist, macht das viel Arbeit, aber es macht auch Spaß“, ermutigte sie die Teilnehmenden. Jan Klocke war schnell begeistert, als er zum ersten Mal von der Möglichkeit eines Persönlichen Budgets hörte. Er wollte nicht in einer Werkstatt arbeiten. Seine Motivation: „Menschen mit Behinderungen können mehr als in einer Werkstatt Tüten zu füllen“, sagte er. Das wollte er auch sich selbst beweisen. Heute lebt der in Herford geborene junge Mann in Bielefeld. Nach einem Praktikum bei einem Verein, der sich für die Belange von Menschen mit Behinderungen engagiert, blieb er dort als fester Mitarbeiter. Heute freut er sich darüber, dass er einen beruflichen Weg einschlagen konnte, der zu ihm passt. Mit dem Persönlichen Budget kann er seinen Alltag selbstbestimmt gestalten.

Frischer Wind

Es folgte eine Gesprächsrunde mit Herrn Wolfgang Völzke, Psychiatriekoordinator der Stadt Bielefeld, der noch einmal einen spannenden Rückblick auf die Anfangsjahre des Persönlichen Budgets warf, in denen die Stadt Bielefeld als Modellregion an der Erprobung des Instrumentes beteiligt war. Beate Graul, Sprecherin des Gemeindepsychiatrischen Verbundes Bielefeld wagte einen Blick von Leistungsanbieterseite auf das Thema und erläuterte mögliche Gründe für die geringe Inanspruchnahme des Persönlichen Budgets. Für Andrea Auner von der Bundesarbeitsgemeinschaft Persönliches Budget e. V. (BAG-PB) war die Tagung eine große Chance, „jetzt noch einmal frischen Wind in die Entwicklung zu bekommen“. „Ich freue mich riesig, dass wir das Thema als Zusammenarbeit der Landschaftsverbände, der Kompetenzzentren Selbstbestimmt Leben NRW und der BAG hingekriegt haben.“ Für Auner ist das Persönliche Budget nur ein Schritt hin zu einer großen Entwicklung: „Wir wollen uns auf den Weg machen, in dieser Gesellschaft inklusiv zu sein“, sagte die BAG-Sprecherin. „Das ist schwer und kein Thema für Menschen mit Behinderungen allein. Es betrifft uns alle, und wir müssen alle darüber nachdenken.“ Es habe sich zwar in den vergangenen Jahren in den Köpfen etwas geändert, aber: „Wir sind noch nicht soweit, dass es ganz leicht für alle ist“, so Auner. „Aber das wollen wir auf den Weg bringen.“

In einer abschließenden Diskussion konnten die Teilnehmenden der Veranstaltung sich an alle Referenten des Tages auf dem Podium wenden und ihre Fragen zu Thema stellen.

 

Eingebettet war die Veranstaltung in die Präsentation der Wanderausstellung und den dazugehörigen Film, welche von den Kompetenzzentren anlässlich ihrer Kampagne zum Persönlichen Budget konzipiert und hergestellt worden waren. Die Wanderausstellung ist noch bis zum 2. November auf der Galerie im 1. Stock des neuen Rathauses in Bielefeld zu betrachten.