#35: Ramona Becker thematisiert Barrierefreiheit beim Landesamt für Zentrale Polizeiliche Dienste NRW
#35
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„Ich möchte, dass bei der Polizei NRW jeder seinen Arbeitsplatz am Tag 1 eingerichtet bekommt, auch oder gerade Menschen mit Behinderung, die Hilfsmittel benutzen. Das klingt erstmal gar nicht so schwierig, ist aber recht kompliziert.“
mit Ramona Becker | Interview | KSL hinterfragt

Wibke Roth: Ramona, du arbeitest jetzt seit einem Jahr für das Landesamt für Zentrale Polizeiliche Dienste NRW – kurz LZPD – und leitest hier das Kompetenzzentrum für Barrierefreiheit. Ich habe in der Blogroll gesehen, dass du 2023 einen Kommentar für das KSL.MSI-NRW verfasst hast. Du hast geschrieben: „Ohne digitale Barrierefreiheit können wir keine inklusive Gesellschaft werden!“ Wie weit ist die Polizei in NRW auf dem Weg zu einer inklusiven Behörde?
Ramona Becker: Auch wenn das jetzt schon fast politisch klingt: „Wir sind auf einem guten Weg.“ Die Polizei NRW orientiert sich an den rechtlichen Vorgaben des Behindertengleichstellungsgesetz – kurz BGG NRW. So wird bei uns grundsätzlich keine Software mehr eingeführt, die nicht barrierefrei ist. Dies bedeutet, dass die Software den Vorgaben der „Barrierefreien Informationstechnologie Verordnung“, kurz BITV 2.0, entsprechen muss. Klingt jetzt erstmal abstrakt, hat aber zur Folge, dass unsere blinden Mitarbeitenden auch mit dem Screenreader (ein Bildschirmvorlese-Programm) alles am PC wahrnehmen können. Natürlich müssen wir dabei gerade im Bereich Polizei mit logischem Menschenverstand ran gehen und auch Ausnahmen machen. Bestimmte Anwendungen für den operativen Dienst, zum Beispiel des mobilen Einsatzkommandos, müssen dabei natürlich nicht für blinde Mitarbeiter zugänglich sein. Ansonsten sind wir da aber streng, unabhängig davon ob in dem Bereich schon jemand mit Behinderung arbeitet oder nicht, denn unser Prinzip ist, dass jeder in allen Bereichen arbeiten können sollte.
Wibke Roth: Was waren deine ersten Amtshandlungen?
Ramona Becker: Nachdem ich herausgefunden habe, wo es den guten Kaffee gibt, habe ich tatsächlich meine Signatur barrierefrei gestaltet. Dies hat dann im LZPD direkt viele Mitarbeitenden zum Mitmachen angeregt. Das war toll! Mittlerweile haben wir ein super Handout entwickelt mit den besten Tipps, um barrierefreie E-Mails zu schreiben. Dieses ist jetzt landesweit im Einsatz.
Wibke Roth: Wie viele Mitarbeiter*innen führst du?
Ramona Becker: Das Kompetenzzentrum für Barrierefreiheit ist zunächst mit zwei Mitarbeitenden und mir als Leitung gestartet. Für die Umsetzung der Barrierefreiheit kann es natürlich nie genug Mitstreitende geben, aber ich bin sehr dankbar, zwei kompetente Menschen an meiner Seite zu haben, die das Thema mit Herzblut und auch aus der Peer-Perspektive unterstützen können.

Abbildung 1: (Von links nach rechts) Ina-Marie Jankowski und Mustafa Egin (Teammitglieder Kompetenzzentrum für Barrierefreiheit), Ramona Becker (Leiterin) und Ineke Klaholz (Dezernatsleiterin).
Wibke Roth: Was sind deine wichtigsten Ziele für mehr Barrierefreiheit für das Jahr 2025?
Ramona Becker: Ich möchte, dass bei der Polizei NRW jeder seinen Arbeitsplatz am Tag 1 eingerichtet bekommt, auch oder gerade Menschen mit Behinderung, die Hilfsmittel benutzen. Das klingt erstmal gar nicht so schwierig, ist aber recht kompliziert. Es gibt verschiedene Träger, die die Arbeitsplatzausstattung finanzieren und dann wäre da natürlich noch unsere wichtige, aber auch komplexe IT-Sicherheit. In 2025 wollen wir diese Prozesse weiter standardisieren. Mein Ziel ist es, dass niemand länger auf seine Braillezeile warten muss, als auf die reguläre Tastatur, dass unsere gehörlosen Mitarbeitenden ebenso telefonieren können wie die hörenden, dass neurodivergenten Menschen Noise-Cancelling Kopfhörer zur Verfügung gestellt werden und, dass es genauso leicht ist, eine Vergrößerungs-Software auf den PC zu laden, wie ein Office-Standard Programm.
Wibke Roth: Wie schaffst du es weiterhin innerhalb der Polizei NRW für das Thema Behinderung zu sensibilisieren?
Ramona Becker: Im Frühjahr werden wir zwei interne landesweite „Tage der Barrierefreiheit“ im LZPD gestalten. Einer zum Thema Neurodivergenz, denn gerade die „unsichtbaren“ Behinderungen brauchen mehr Aufmerksamkeit, vor allem da laut Studien jeder 5. Mensch neurodivergent ist. Dazu zählt beispielsweise ADHS und das Autismus Spektrum. Der andere Tag wird zum Thema „Sinnesbehinderung“ sein. Da habe ich tatsächlich das Glück, meine ehemaligen KSL-MSi-Kolleg*innen gewinnen zu können, die den Tag mit uns gemeinsam gestalten werden.
Wibke Roth: Von welchen Zielen, die nicht in deinen Zuständigkeitsbereich bei der Polizei fallen, die das Land jedoch barriereärmer machen, sollte NRW noch erfahren?
Ramona Becker: Da ich beim KSL-MSi ja den Fachbereich Blindheit und Sehbehinderung hatte, lässt mich dieses Thema natürlich nicht los. Ich würde mir wirklich wünschen, dass NRW oder am besten ganz Deutschland ein einheitliches Blindenleitsystem verpflichtend einführt. In der einen Stadt bedeuten die Noppenplatten „Achtung, hier verändert sich was“, beispielsweise bei einer Kreuzung, in der anderen Stadt werden sie genutzt, um den ganzen Weg zu kennzeichnen und die Rippenplatten bedeuten „Achtung“. Das ist unnötig verwirrend und eine einheitliche Nutzung würde aktiv zur Sicherheit von blinden Verkehrsteilnehmenden beitragen.
Wibke Roth: Danke dir fürs Interview, Ramona.
Ramona Becker: Gern geschehen.
Februar 2025
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