Tagungsbericht: Gesundheit für alle | KSL.NRW Direkt zum Inhalt
Akteur_innen tauschen sich an Ständen des Fachtags Inklusive Gesundheit

Michael Kalthoff-Mahnke ist Mitarbeiter Öffentlichkeitsarbeit beim KSL.Münster. Er hat einen persönlichen Rückblick verfasst, wie er den „Fachtag Inklusive Gesundheit – Zugänge zur Inklusion im Gesundheitssystem" erlebt hat:

 

An unserem Kühlschrank hängt deutlich sichtbar eine graue Pappkarte. Sie ist knapp so groß wie ein DIN A-4-Blatt und darauf steht in großen Buchstaben:

„Alle sagten: ,DAS GEHT NICHT!‘
Dann kam einer, der wusste das nicht, und hat’s einfach gemacht.“

Die Karte hängt dort bereits seit gefühlt einer Ewigkeit und hat trotz einiger Umzüge nie ihren Platz verloren. In dieser langen Zeit ist der Spruch so etwas wie ein Lebensmotiv geworden, eine Art Leitplanke und Entscheidungshilfe für meinen Alltag, der mir in den Blick fällt, sobald ich die Küche betrete. Er verkörpert für mich die Idee, dass viele Grenzen im Kopf entstehen und dass man sich nicht von den Meinungen anderer eingrenzen lassen sollte. Der Spruch ermutigt mich dazu, zum einen auf meine eigene Stimme und Stärke zu hören und Dinge zu versuchen, selbst wenn andere dies skeptisch sehen oder dies sogar als völlig unmöglich erachten. Er bedeutet für mich aber auch, Ideen, Pläne, Vorhaben und vor allem Lösungen in die Hand zu nehmen und umzusetzen und nicht zu zerreden. Und dass es manchmal nur den Mut braucht, Dinge einfach mal auszuprobieren.

Was für persönliche Entscheidungen im Kleinen gilt, sollte aus meiner Sicht auch bei großen Entscheidungen und Entwicklungen Maßstab sein. Inklusion ist so ein großes, unsere ganze Gesellschaft umfassendes Thema. Der Plan dazu: die UN-Behindertenrechtskonvention. Sie ist die Blaupause für die Selbstbestimmung und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen, für ein Zusammenleben aller auf Augenhöhe.

Dicke Bretter bohren

Wie sich zeigt, ist die Umsetzung der UN-BRK ein ziemlich dickes Brett, dass trotz aller Bekenntnisse nur langsam zu bohren ist. Dazu braucht es Menschen, die in großen und kleinen Projekten jeden Tag daran (mit-)arbeiten, der Idee einer Gesellschaft für Alle mit Kompetenz, Mut und Tatkraft ein Stück näher zu kommen. 
Genau diese Haltung habe ich beim Fachtag „Inklusive Gesundheit – Zugänge zur Inklusion im Gesundheitssystem“ gespürt. Dazu kamen Anfang September Mehr als 250 Expert*innen aus den unterschiedlichsten Gesundheitsbereichen, wie zum Beispiel Medizin, Pflege, Therapie, Politik und Wissenschaft, am Gesundheitscampus der Hochschule Bochum zusammen, um sich darüber auszutauschen, wie Inklusion in unserem Gesundheitssystem umgesetzt werden kann.

Ein Feuerwerk der guten Praxis

Es wurde einen Tag lang viel geredet und diskutiert, wie es bei einem Fachtag üblich ist. Aber entscheidend war etwas anderes: Es wurden viele konkrete Beispiele sichtbar gemacht. Gute Praxis, die zeigt, wie Inklusion im Gesundheitswesen schon heute gelingen kann, wenn es Macher*innen gibt, die kompetent, mutig, weitsichtig, streitbar, lösungsorientiert und menschenfreundlich zugleich entwickeln und umsetzen. Es war für mich ein kleines „Feuerwerk der guten Beispiele“, die von den Macher*innen des Fachtags in Bochum in den Fokus gerückt worden waren. Und das machte etwas mit der Stimmung im Saal: Es war spürbar, dass Inklusion im Gesundheitssystem nicht nur eine Vision ist, sondern eine Aufgabe, die längst begonnen hat.

Da geht was

Da geht was, auch wenn der Weg zum Ziel noch lang sein wird, wie die Sprecherin der Patientenvertretung NRW und Vorsitzende des Cochlea Implantat Verbands NRW (CIV NRW), Marion Hölterhoff, vermutet. Aber: Gute Beispiele machen eben Mut. 
Die Schirmherrin der Veranstaltung und NRW-Beauftragte für Menschen mit Behinderung sowie für Patientinnen und Patienten, Claudia Middendorf, brachte es auf den Punkt: „Was mich besonders bewegt hat: Die vielen Gespräche mit Menschen, die mich aus ganz unterschiedlichen Perspektiven über Inklusion im Gesundheitssystem angesprochen haben. Ob aus Medizin, Pflege, Politik oder Selbsthilfe – überall wurde deutlich, dass wir alle dasselbe Ziel haben: Gesundheit für alle.“
Dieser Satz wirkt nach. Er fasst zusammen, was die vielen Gespräche und Begegnungen des Tages geprägt hat: Optimismus, Aufbruch, das Gefühl, gemeinsam unterwegs zu sein.

Mein Fazit: Mutmacher statt Mahner

Für mich war der Fachtag ein Mutmacher. Er hat gezeigt: Ein inklusives Gesundheitssystem entsteht nicht über Nacht, nicht allein durch Gesetze oder große Worte. Es entsteht dort, wo Menschen sich zusammentun, Erfahrungen teilen und gemeinsam Lösungen finden. Natürlich gibt es noch viele dicke Bretter zu bohren. Aber die Energie von Bochum war spürbar – wie ein Rückenwind, der Türen weiter aufstoßen kann.
Sehr positiv stimmt zugleich, dass die KSL für diesen Fachtag die Hochschule Bochum, die Ärztekammer Nordrhein, die Ärztekammer Westfalen-Lippe sowie der Pflegekammer NRW für eine Zusammenarbeit gewinnen konnte. Das gibt neue Möglichkeiten und Wege, um Bewusstsein zu schaffen, unsere Gesundheitsversorgung im Sinne eines inklusiven Gesundheitssystems weiterzuentwickeln.
Vielleicht sollten wir uns öfter an so einen Satz wie der von meiner Kühlschrankkarte erinnern: „Geht nicht, gibt’s nicht.“ Genau das ist Inklusion: Nicht reden, warum es schwierig ist – sondern machen, damit es möglich wird.